Für eine pragmatische Umweltpolitik

Die Grünliberalen haben sich für ein JA zum Dekret über die alpinen Solaranlagen ausgesprochen.

Erfahren Sie hier in 10 Punkten einige Fakten, die unsere Position begründen.

1. Bundesweiter Kontext

Im September 2022 verabschiedete das Bundesparlament ein dringliches Gesetz, dessen Ziel es ist, die Entstehung von Photovoltaik-Grossanlagen, darunter auch alpine Solaranlagen, drastisch beschleunigen zu können.

 

Es handelt sich hauptsächlich um die Aufnahme von Artikel 71 a in das Bundesgesetz über Energie, der wie folgt zusammengefasst werden kann: 

  • Er gilt für Photovoltaik-Grossanlagen mit einer Jahresproduktion von max. 2 TWh ;  
  • Eine Grossanlage entspricht einer Produktion von mindestens 10 GWh/Jahr, wovon mindestens 45% im Winter erzeugt werden;  
  • Die Projekte sind "standortgebunden" => die lokale Bevölkerung muss zustimmen ;  
  • Es besteht keine Planungspflicht => kein Richtplan erforderlich
  • Diese Projekte sind dank dieses Artikels von nationalem Interesse  ;  
  • Bewilligungen: durch den Kanton, mit Zustimmung der Standortgemeinde und des Grundeigentümers;  
  • Einmalvergütung von bis zu 60% der Investitionskosten bis zum 31.12.2025, wenn 10% des Stroms vor diesem Datum eingespeist wird.

2. Was ist ein Dekret?

IIm Gegensatz zum Gesetz, das von der Legislative erlassen wird, sind Dekrete und Beschlüsse Handlungen, die von der Exekutive ergriffen werden. Ein Dekret ist zeitlich begrenzt.

 

3. Warum dieses Dekret?

Um das Bundesgesetz umsetzen zu können, hat der Staatsrat beschlossen, dem Grossrat ein Dekret vorzulegen, das das Verfahren für die Nutzung von grossen Photovoltaikanlagen regelt. Damit sollen die notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, um die vom Bundesgesetzgeber gewünschte effektive Anwendung zu ermöglichen.

 

Die Verwendung eines Dekrets (anstelle eines Gesetzes) ist in dringenden Fällen gerechtfertigt, weil : 

  • der Bundesgesetzgeber ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Realisierung dieser alpinen Solaranlagen dekretiert hat, die für die Sicherstellung der Stromversorgung notwendig sind ;  
  • der Gesetzgeber eine zeitliche Dringlichkeit definiert hat, wobei Subventionen nur für Projekte gewährt werden, die bis zum 31. Dezember 2025 Strom in das Netz einspeisen. Auf dem ordentlichen Gesetzgebungsweg wäre der Prozess zu langsam. 

 

In der Februarsession 2023 nahm der Grossrat das Dekret mit 68 % Ja- und 32 % Nein-Stimmen an.

4. Warum stimmen wir am 10. September ab?

Wie in der Kantonsverfassung in Artikel 32 vorgesehen, werden die Dekrete dem Volk zur Abstimmung vorgelegt, wenn 3'000 Bürgerinnen und Bürger dies verlangen.  

 

Die Grünen und mehrere Organisationen, darunter Pro Natura Wallis, ergriffen das Referendum, das am 17.02.2023 im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Einige Monate später wurden 5'501 gültige Unterschriften eingereicht, wodurch das Dekret am 10. September 2023 zur Abstimmung kommt.

5. Was bedeutet das Dekret konkret?

Die Behandlung eines Baugesuchs ausserhalb der Bauzone fällt in die Zuständigkeit der kantonalen Baukommission (Art. 2 Abs. 2 des kantonalen Baugesetzes). 

 

Somit ist die kantonale Baukommission die erste Instanz, die im ordentlichen Verfahren über ein Projekt für eine Photovoltaikanlage entscheidet, vor einer eventuellen Beschwerde an den Staatsrat. 

 

Das Dekret, um das es hier geht, setzt die vom Bundesparlament gewünschte Schnelligkeit um, indem es diese Entscheidungsbefugnis direkt dem Staatsrat als übergeordneter Instanz überträgt, der über den Bau der Anlage verfügen kann. Das Dekret eröffnet auch einen direkten und damit schnelleren Beschwerdeweg zum Kantonsgericht.  

 

Das Dekret regelt somit ausschliesslich verfahrensrechtliche Fragen.

6. Warum sind die Subventionen des Bundes bis zum 31.12.2025 befristet?

Die Europäische Union hat 2019 das Clean Energy Package verabschiedet, das eine Regel beinhaltet, von der auch die Schweiz betroffen ist, die 70%-Regel. Demnach müssen die EU-Mitgliedstaaten mindestens 70% ihrer Stromübertragungskapazität für den Handel mit ihren benachbarten EU-Mitgliedern zur Verfügung stellen. Bis 2025 müssen also alle EU-Länder diese 70% erreicht haben. 

 

Mit dieser Regel wird der Handel innerhalb der Mitgliedsländer zunehmen, ebenso wie die Netzengpässe. Wenn unsere Nachbarländer Schwierigkeiten haben, diese 70% zu erreichen, besteht die Gefahr, dass sie einseitig die Grenzkapazitäten begrenzen, um die Regel einzuhalten (die Schweiz ist durch mehr als 40 grenzüberschreitende Stromleitungen mit dem europäischen Stromnetz verbunden). So müssten die EU-Länder vorübergehend ihre internen Netzengpässe auf Kosten der Exportkapazitäten in die Schweiz entlasten. 

 

Konkret würde dies laut Swissgrid bedeuten, "dass Deutschland und Frankreich - und damit die wichtigsten Stromexporteure in die Schweiz -, um die 70% zu erreichen, die bisher für sie vorreservierte Exportkapazität in die Schweiz vorübergehend bis auf Null reduzieren müssten". 

 

Kurz gesagt: Mit der zunehmenden Elektrifizierung und dieser neuen EU-Richtlinie und ohne ein Rahmenabkommen, das die Integration des europäischen Strommarktes ermöglicht, werden wir 2025 wahrscheinlich Versorgungsprobleme haben.

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7. Reichen Solarpanels auf bestehenden Gebäuden wirklich aus?

Die in der Vision 2060 des Staatsrats festgelegten Ziele sehen für das Jahr 2035 eine photovoltaische Solarstromproduktion von 900 GWh pro Jahr vor. Im Jahr 2021 haben in unserem Kanton 155 GWh produziert.

So folgt die Produktionskurve der Photovoltaik im Wallis trotz der seit mehreren Jahren gezahlten Anreize auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene immer noch einer geraden Linie, obwohl sie einer exponentiellen Kurve folgen müsste, um bis 2035 900 GWh zu erreichen.

8. Ist das theoretische Potenzial bei bestehenden Gebäuden realistisch?

Das theoretische Potenzial für Solarenergie im Wallis ist gross. Aber es bleibt eben theoretisch. Die von den GegnerInnen vorgebrachten Zahlen stammen in der Regel aus Ressourcen wie Sonnendach.ch des Bundesamtes für Energie, mit denen das Potenzial aller Dächer in der Schweiz für Solarenergie berechnet werden kann. Diese Zahlen sind oft zu hoch angesetzt, da sie auch alte Schuppen, Kirchen oder uneinheitliche Dächer einbeziehen, also Orte, an denen niemand Solarpanels anbringen würde. 

 

Obwohl das Potenzial im Wallis sehr gross ist, ist es heute in der Praxis schwer umzusetzen, denn: 

  • Es gibt grosse Lücken in der Lieferkette für das Material, das für die Installation der Panels benötigt wird, da die Nachfrage enorm ansteigt;  
  • Es fehlt an Arbeitskräften, um den aktuellen Bedarf zu decken, und die geplanten neuen Schulungen werden erst in 3-4 Jahren Wirkung zeigen;  

 

Unter diesen Umständen ist es unwahrscheinlich, dass sich die jährliche Entwicklung der Photovoltaikproduktion im Wallis von einer Geraden in eine Exponentialkurve verwandelt.

9. Bei einem NEIN zum Dekret können dann alpine Solarparks triotzdem entstehen?

Ja. Das Dekret regelt nur das Verfahren für die Nutzung grosser Solaranlagen. Wer Nein stimmt, ist lediglich gegen ein beschleunigtes Verfahren. 

Alpine Solaranlagen können also trotzdem entstehen, nur dass das Verfahren langsamer sein wird, weil es über die kantonale Baukommission laufen muss.

 

Damit schaffen die GegnerInnen eine Nicht-Debatte, denn die Grundsatzdiskussion über alpine Solaranlagen obliegt dem Bundesgesetzgeber. Selbst wenn sich die Bevölkerung gegen das Dekret aussprechen würde, kann der Walliser Staatsrat ein Bundesgesetz nicht für ungültig erklären.

10. Warum stimmen die Grünliberalen JA zum Dekret?

Es handelt sich hierbei um eine einfache, rationale Interessenabwägung. Einerseits sehen wir die oben erwähnten aktuellen Probleme bei der Installation von Solarpanels auf bestehender Gebäuden. Andererseits liegen uns die Biodiversität und die Walliser Landschaft am Herzen. Hier sind die Hauptargumente, die für eine Unterstützung des Dekrets sprachen:

 

  • Solarenergie auf bestehenden Gebäuden wird nicht ausreichen

    • Die Zahlen zeigen, dass die private Produktion von Solarstrom allein nicht ausreicht, um die Ziele der Vision 2060 zu erreichen.

    • Trotz Subventionen wird die theoretisch mögliche Produktion aufgrund der derzeitigen Gegebenheiten nicht erreicht werden können.

    • Man kann die Solarenergie auf Gebäuden ausbauen und gleichzeitig auch alpine Solaranlagen bauen

 

  • Biodiversität: Eine fallbezogene Betrachtung

    • Die Biodiversität ist aktuell ein Problem. Sie ist jedoch von Tal zu Tal sehr unterschiedlich.

    • Die Analyse der alpinen Solaranlagen muss im Einzelfall erfolgen und eine echte Interessenabwägung beinhalten.

    • Einige Anlagen machen keinen Sinn, während andere zu Pilotprojekten in diesem Bereich werden könnten

 

  • Die Abstimmung betrifft nicht die Solaranlagen.

    • Das Dekret regelt nur die Schnelligkeit des kantonalen Verfahrens

    • Bei einem Nein am 10. September können alpine Solaranlagen  trotzdem entstehen.

    • Die Kompetenz liegt beim Bund, der Kanton setzt nur den Willen des Bundesgesetzgebers um

 

  • Für die Sicherheit unserer Stromversorgung

    • Mit der 70%-Regel der EU wird die Wahrscheinlichkeit einer Stromknappheit in der Schweiz ab 2025 hoch sein.

    • Es muss eine Interessenabwägung vorgenommen und ein Mittelweg gefunden werden. Wir wollen nicht 2025 im Dunkeln sitzen und nicht überall alpine Solaranlagen haben. Finden wir den Mittelweg: 1-2 Pilotprojekte, die sinnvoll ausgewählt werden!

 

Es gilt also, einen Mittelweg zu finden: Alpine Solaranlage dort zu bauen, wo sie am sinnvollsten ist und die geringsten Auswirkungen auf die Biodiversität hat. Dies darf jedoch nicht zu einem Freipass für riesige alpine Solaranlagen überall führen! 

 

Es ist sehr wichtig, die Sinnhaftigkeit einer alpinen Solaranlage von Fall zu Fall zu beurteilen, da die Biodiversität, der Stromtransport und die Auswirkungen auf die Landschaft nicht überall gleich sind. 

 

Daher werden wir nach Abwägung der verschiedenen Aspekte am 10. September 2023 pragmatisch JA stimmen.